Die Geschichte des Museums
Berend Lehmann
Das Berend Lehmann Museum für jüdische Geschichte und Kultur ist nach dem Hofjuden Berend Lehmann (1661 – 1730) benannt, einem der bedeutendsten Hofjuden seiner Zeit. Von Halberstadt aus war er für die Höfe von Preußen, Hannover, Braunschweig und vor allem Augusts den Starken in Sachsen tätig.
Aus dieser starken Position heraus konnte Berend Lehmann viel zur Verbesserung der Situation der Jüdinnen:Juden in Halberstadt und darüber hinaus leisten. Seine geschäftlichen Aktivitäten zogen weitere jüdische Unternehmer:innen und Kaufleute an, und Lehmann schuf Möglichkeiten zur dauerhaften Niederlassung von armen Jüdinnen:Juden.
Ein besonderes Anliegen war es Lehmann, das religiöse Leben der jüdischen Gemeinschaft zu fördern. Um 1700 stiftete er in Halberstadt die Klaussynagoge als Lehrhaus. Eine weitere, prächtige Barocksynagoge, die er stiftete, wurde 1712 eingeweiht.
Unter anderem die Aktivitäten Berend Lehmanns führten die jüdische Gemeinde Halberstadts zur Blüte. Im 18. Jahrhundert bildete Halberstadt mit einem jüdischen Bevölkerungsanteil von 10 Prozent ein wichtiges Zentrum jüdischen Lebens, jüdischer Wirtschaft und Gelehrsamkeit sowie der Neoorthodoxie.
1942 wurden die letzten Mitglieder der Halberstädter jüdischen Gemeinde deportiert. Seitdem gibt es in Halberstadt keine aktive jüdische Gemeinde mehr.
Geschichte des Museums
Die Entstehung
Durch das Engagement Halberstädter Bürger:innen, die sich seit 1990 im „Verein zur Bewahrung und Fortentwicklung jüdischen Erbes in Halberstadt und Umgebung“ organisiert hatten, entstand 1996 die Stiftung Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt (MMA). Stifter war der Berliner Dipl. Kfm. Manfred Wolff, der durch seine Freundschaft mit dem aus Halberstadt stammenden Raphael Nussbaum eine besondere Beziehung zu der Stadt und deren jüdische Geschichte hat. Spiritus Rector für die inhaltliche Ausrichtung war und ist Prof. Dr. Julius H. Schoeps.
Erstes Ziel der Stiftung war die Rettung des ehemaligen jüdischen Gemeindezentrums von Halberstadt. Dazu gehören die „Klaus,“ also das ehemalige jüdische Lehrhaus mit Synagoge, im Rosenwinkel, das Kantorhaus in der Bakenstraße mit dem dahinter gelegenen Ort der zerstörten Barocksynagoge und das rituelle Tauchbad (Mikwe) in der Judenstraße. Über die Rettung der Gebäude hinausgehend ist die Zielsetzung der Stiftung, das in Jahrhunderten entstandene reiche jüdische Erbe Halberstadts zu erforschen und sichtbar zu machen, nachdem es seit der Vernichtung der Gemeinde im nationalsozialistischen Deutschland kaum Anerkennung erfuhr. Den Bogen bis in die Gegenwart zu schlagen ist ein besonderes Anliegen. Hier stehen die langjährig aufgebauten Beziehungen zu jüdischen Familien, die aus Halberstadt stammen, im Mittelpunkt.
Um der Öffentlichkeit einen Zugang zu den Forschungsergebnissen zu schaffen, gründete die MMA 2001 im ehemaligen rituellen jüdischen Tauchbad (Mikwenhaus) in der Judenstraße 25/26 das Berend Lehmann Museum für jüdische Geschichte und Kultur. Das Museum vermittelt jüdische Geschichte ausschließlich anhand von Exponaten, die einen eindeutigen Bezug zu Halberstadt haben und im großen Rahmen durch den engen Kontakt mit ehemaligen Halberstädter Jüdinnen:Juden und ihren Nachkommen als Schenkungen oder Leihgaben an das Museum übertragen wurden. Die Geschichten der Objekte erzählen beispielhaft die Geschichte der Jüdinnen:Juden in ganz Deutschland.
2022 konnte ein langfristiger Finanzierungsvertrag zwischen dem Land Sachsen-Anhalt, der Stadt Halberstadt und der Moses Mendelssohn Stiftung Erlangen/Berlin geschlossen werden. Im Mai 2022 hat eine neu gestaltete Dauerausstellung in beiden Häusern des Museums (Judenstraße 25/26 und Rosenwinkel 18) eröffnet. Heute ist das Berend Lehmann Museum eine fest etablierte Institution mit weitreichen Kooperationspartner:innen in der Forschungs- und Bildungsarbeit, die auch überregional gutes fachliches Ansehen genießt.
1938 und 1942
1890er Jahre
1700/1712
1806
1680er Jahre
1669
Leitbild
Vision
Jüdische Geschichte am authentischen Ort zeigen, Begegnungen ermöglichen
Selbstverständnis
Das Berend Lehmann Museum für jüdische Geschichte und Kultur (BLM) ist Teil der gemeinnützigen Stiftung Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt (MMA). Der Stiftungszweck ist neben der Erhaltung der historischen Gebäude – Klaus mit Synagoge (Rosenwinkel 18); Kantorhaus (Bakenstraße 56); Mikwenhaus (Judenstraße 26) und der Bewahrung des Ortes der zerstörten Barocksynagoge die Vermittlung von Kenntnissen zu Grundlagen des Judentums sowie jüdischer Geschichte und Kultur. Dafür wurde 2001 das BLM gegründet. Im Dienst der Gesellschaft wird materielles und immaterielles Erbe erforscht, gesammelt, bewahrt, interpretiert und ausgestellt mit dem Ziel Empathie und Toleranz
zu fördern und Antisemitismus und jeder Form von Diskriminierung entgegen zu wirken.
Das BLM ist im historischen jüdischen Viertel Halberstadts in Gebäuden der ehemaligen jüdischen Gemeinde angesiedelt. Dieser authentische Ort ist der Rahmen, an dessen Beispiel die Geschichte der Jüd:innen als aktive Gestalter:innen des mitteldeutschen Raumes erzählt wird. Um eine konkrete Verortung zu erreichen, zeigt das BLM ausschließlich Objekte, die aus dem Halberstädter jüdischen Kontext stammen. Durch die Schenkungen und Leihgaben von Mitgliedern der ehemaligen Halberstädter jüdischen Gemeinde und deren Nachfahren ist eine Sammlung authentischer Judaica sowie von Alltagsgegenständen, Fotos, Dokumenten, autobiografischen Materialien und Video- und Tondokumenten von herausragender Qualität entstanden. Der Schwerpunkt der Sammlung ist historisch (vor 1942). Dennoch ist das BLM stets bemüht diverse historische und zeitgenössische Perspektiven und die ganze Vielfalt des deutschen Judentums und darüber hinaus darzustellen.
Die enge Kooperation mit den ehemaligen jüdischen Halberstädter:innen sowie ihren Nachfahren in Israel, den USA, Südamerika, Australien und Europa ermöglicht eine stetige Ergänzung und Erweiterung der Sammlung sowie die Weiterentwicklung der Arbeit der MMA und des BLM. MMA und BLM
verstehen sich auch als sozialer Raum und als Begegnungsstätte, die den Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen initiiert und eine Atmosphäre der Einigkeit in Vielfalt fördert. Durch Präsenzbesuche und mittels der Ausstellung des BLM arbeiten die Nachkommen der jüdischen Halberstädter:innen aktiv an diesem Austausch mit.
Die Erforschung der Sammlung erfolgt in Kooperation mit geeigneten wissenschaftlichen Einrichtungen und im Verbund mit jüdischen Museen in Europa. Die zentrale Rolle spielt die Provenienz der Objekte, deren Geschichte in der Ausstellung erzählt wird.
Die MMA und das BLM sind Teil der jüdischen Erinnerungslandschaft in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus. Das BLM hat viele Kooperationspartner:innen auf Stadt- Land und Bundesebene und verfügt
auch über ein internationales Netzwerk. Es ist Mitglied im Museumsverband Sachsen-Anhalt e.V. Seit 2021 besteht ein langfristiger Fördervertrag mit dem Land-Sachsen-Anhaltsowie der Stadt Halberstadt. MMA und BLM verstehen unterschiedlichste Einrichtungen in Stadt und Land und den Landesverband
jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt als enge Partner:innen, mit denen vertrauenswürdig und transparent zusammengearbeitet wird.
Wir berufen uns in unserer Arbeit auf die Satzung der Stiftung Moses Mendelssohn Akademie, die „ethischen Richtlinien für Museen von ICOM-internationaler Museumsrat“ und die „Standards für Museen des Deutschen Museumsbundes.“
Digitale Strategie
Das BLM nutzt die Möglichketen des digitalen Raums um seine Reichweite und seinen Wirkungsraum zu vergrößern und seine Inhalte vielseitig und inklusiv zu vermitteln. Das erleichtert den Zugang zu Forschungsergebnissen, ermöglicht eine globale Teilhabe an Kulturgut und Erkenntnissen. Die digitalen Angebote werden als Ergänzung zu analogen Ausstellungs- und Vermittlungsangeboten verstanden. Digitalisierung ermöglicht Vernetzung mit Partnerorganisationen und barrierefreien Austausch von
Informationen und öffnet den Raum für neue kreative Projekte.
Ziel ist es, möglichst vielen verschiedenen Zielgruppen den Zugang zu Themen der jüdischen Geschichte und Kultur zu ermöglichen, wissenschaftliche Erkenntnisse auch über die Dauer von Ausstellungen und Projekten hinaus zu bewahren und von überall zugänglich zu machen.
Werte
• Inklusion
Das BLM ist offen für alle Menschen, die sich mit der Geschichte und Gegenwart jüdischen Lebens auseinandersetzen möchten. Das BLM achtet die Diversität seiner Besucher:innen und ist bemüht inklusive Zugänge zu Informationen zu schaffen. Die jüdische Vielstimmigkeit in Geschichte und Gegenwart ist für unsere Arbeit grundlegend und spiegelt sich in unseren Inhalten wider.
• Unabhängigkeit
Das BLM ist überparteilich und arbeitet unabhängig. Es setzt seine Schwerpunkte und Themen selbst und konzipiert sein Programm frei.
• Verantwortung
Das Museum arbeitet für die Bewahrung und Weitergabe des kulturellen deutsch-jüdischen Erbes anhand konkreter Familiengeschichten. Das BLM und die MMA arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und unter Beteiligung von Gemeinschaften und bieten vielfältige Erfahrungen für
Bildung, Vergnügen, Reflexion und Wissensaustausch. Das Museum erkennt die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der IHRA an und stellt sich gegen jede Form von Antisemitismus und jede Form von Diskriminierung. In ihrer Arbeit sind MMA und BLM bestrebt Diversität und Nachhaltigkeit zu fördern.